Looking for Chantal
Verwunschene Orte und verlassene Häuser regen zum Ausdenken von Geschichten und möglichen Handlungen im Leben Anderer an. «Looking for Chantal» ist die Darstellung von Szenen aus dem Leben einer Person, die sich bedingungslos ihrer Leidenschaft hingibt und sich in ihr verliert. Die inszenierten Fotografien von Serap Vitarelli führen die Betrachtenden in ein erfundenes Leben aus einer anderen Zeit. Zwischen Raum, Person und Ort entsteht eine Zwischenrealität. «Looking for Chantal» ist eine Hommage an die Medienkünstlerin Chantal Michel, die ihre Leidenschaft zum Lebenswerk macht, so wie einst der Gründer des Parks Seleger Moor.
Installation im Park Seleger Moor Fotografien einer wartenden und suchenden Frau, interpretiert und inszeniert von Serap Vitarelli, sind an mehreren Fenstern des sogenannten Portugieser Hauses im Park angebracht. «Looking for Chantal» ist eine Hommage an die Medienkünstlerin Chantal Michel und an Menschen, die ihre Leidenschaft zum Lebenswerk machen.
Materialien Fotografien auf Klebefolie, Spiegelbox aus MDF
Was bleibt
Was bleibt, ist die Erinnerung – aber nur vermeintlich, denn sie bleibt allein so lange, wie sie aufrechterhalten und weitergegeben wird. Mit der Zeit verwässert sie sich und löst sich auf. Während die Vergänglichkeit die Gegenwart erodiert, ist die Erinnerung die Brücke zur Vergangenheit.
Kurz vor dem Abriss der Buchdruckerei Thalwil und einer privaten Villa fotografierte Serap Vitarelli die verlassenen Räume dieser beiden historischen Gebäude. Zunächst fasziniert vom Boden, der durch seine Spuren greifbare Überreste der Geschichte in die Gegenwart lieferte, wanderte die Künstlerin schliesslich Stunden durch die Häuser und hielt alles fest. Ähnlich, wie es einst der Fotograf Eugène Atget (1857 – 1927) in Paris tat, versuchte Serap Vitarelli, die Aura dieser verlassenen Räume als stille Zeugin der Zeit einzufangen. Der deutsche Philosoph und Kulturkritiker, Walter Benjamin definiert die Aura als einzigartige Präsenz, die durch die Einbettung in Raum und Zeit bestimmt wird. Benjamin nutzt Eugène Atgets Werk als herausragendes Beispiel dafür, wie die Fotografie das Objekt von seiner Aura befreien und dennoch eine besondere Atmosphäre und Tiefe bewahren kann.
Auch Serap Vitarellis Fotografien sind ungeschönte Darstellungen der Vergangenheit, nüchtern, klar, frei von romantischer Verklärung, gleichzeitig besitzen sie eine tiefere, fast metaphysische Dimension. Die Künstlerin hinterfragt die Wahrnehmung einer Umgebung. Schliesslich wird unsere Wahrnehmung aktiv durch das Gehirn, basierend auf unseren sozialen Erfahrungen und Erwartungen, konstruiert. Ist die Aura eines Objektes somit für jeden sichtbar? Und was bleibt von der Vergangenheit, wenn wir die Aura vom Objekt trennen und sie in einer Fotografie festhalten? Sehr wahrscheinlich die Schönheit des Vergänglichen…
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«Villa Dr. Maier»
Die Linde ist geblieben.
Das Geheimnis lag überall. Es wird bleiben.
Andenken sind geblieben. Sie werden nicht bleiben.
Die Vergänglichkeit ist geblieben. Sie wird bleiben.
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«Buchdruckerei Thalwil»
Die Zeder ist geblieben.
Der Unmut machte sich breit. Er wird nicht bleiben.
Relikte sind geblieben. Sie werden nicht bleiben.
Die Veränderung ist geblieben. Sie wird bleiben.
Mutter - was bleibt?
In ihrer Arbeit stellt Serap Vitarelli den Granatapfel ins Zentrum der Auseinandersetzung von Mensch und Natur. In einer Video Performance zerlegt die Künstlerin einen Granatapfel und lässt ihn im Schnee liegen. Die Interpretationsmöglichkeiten des Videos sind so zahlreich wie die Kerne eines Granatapfels. Doch was bleibt zurück von der Intervention? Der Mensch geht nicht nur mit der Natur rücksichtslos um, sondern auch mit sich selbst. Auseinandersetzungen führen zu roher Gewalt, Repressionen und Unterdrückung. Im kollektiven Bewusstsein verlieren Respekt und Demut an Kraft und an Bedeutung. Wird jemals eine Versöhnung möglich sein?
Mit dem Granatapfel verbindet Serap Vitarelli einerseits die Mutter Natur und andererseits ist die Frucht namensgebend für das türkische Märchen «Nartanesi», das die Arbeit der Künstlerin beeinflusst. Im Märchen stellt eine alte, von Feen umgebene Mutter den egozentrischen Sohn eines Sultans auf die Probe. Sie öffnet ihm dadurch die Augen für Respekt und Demut, sodass es zur Versöhnung kommt.
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Installation im Seleger Moor
11 Videostills 17 x 30 cm, Chromaluxe Druck auf Aluminium, Mettalstangen
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Video
Einkanal-Video, Ton, 2.06 min. Musik: Snowflight von Andrew York, interpretiert von Kenan Vitarelli
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Link zum Video https://youtu.be/ELZSv6UXC8s
Schau mich an - ART-PUBLIC Chur
«Auf Anfrage von Luciano Fasciati hat sich die Fotografin für diese Publikation mit den zehn Werken im öffentlichen Raum von Chur beschäftigt, die zwischen 2012 und 2021 im Rahmen der ortsspezifischen Aus stellungen des Vereins ART-PUBLIC Chur heute noch anzutreffen sind. Ausgangspunkt für die Fotostrecke mit dem Titel Schau mich an waren nicht nur die Kunstwerke, sondern auch die schriftliche und bildliche Dokumentation der Ausstellungen. Auf visueller Ebene prägte bis anhin der Fotograf Ralph Feiner (*1961) diese Bilder und unseren Blick auf die Kunst. Feiners dokumentarischen Ansatz hat Vitarelli in ihrer Fotostrecke anhand der Kunstfigur um die Komponenten des Betrachtens und Interagierens erweitert und damit neue Situationen geschaffen.»
von Seraina Peer (Auszug aus dem Einführungstext zur Fotostrecke)
Verwurzelt - Verloren
Erfahrungen und Ängste unserer Vorfahren sitzen tief in uns. Teils schlummern sie in unseren Genen, teils machen sie sich als unerklärbare Ängste, Zwänge und Muster erkennbar. Zwar wissen wir von ihrem Dasein, für viele Menschen bleiben sie aber ein blinder Fleck. In dieser Arbeit beschäftigt sich Serap Vitarelli mit den unsichtbaren Wurzeln, die ihre Ängste prägen. Es sind blinde Flecke, von denen sie zwar weiss, dass es sie gibt, sich aber davor fürchtet, sie aufzudecken. Deshalb lässt sie die Flecke im Dunkeln. Sie ist hin- und hergerissen von der Neugierde, was sich wohl unter dem blinden Fleck versteckt und der Angst, welche Konsequenzen das gewonnene Wissen mit sich bringen wird. Darum ist sie auf der Suche nach Etwas, was sie eigentlich gar nicht finden will.
«I never want to find home. The fear is that the day you find home is the day you stop challenging yourself and stop looking at things the same way you did before.» Alex Majoli (italienischer Fotograf, Mitglied von Magnum Photos)
Analoge Collagen
Entstanden sind analoge Collagen, aus Ausschnitten inszenierter Fotografien, wo sich eine neue fotografische Inszenierung einbettet. Sie bildet den Einstieg in die Welt von Bäumen, Räumen und Träumen. Die Bäume deuten die Verwurzelung und die Verästelung an und die Räume stehen für Heimat. In Ihnen sind Spuren aus der Vergangenheit beheimatet, die durch familiäre und/oder kulturell Einflüsse geprägt sind.
Finde mich
Verloren in Rollenbildern und den Erwartungen, die ich an mich selbst stelle, geblendet von Stereotypen und Wunschvorstellungen, wie das ideale Ich aussehen sollte, mache ich mich auf die Suche. Die Fotokamera als Zeugin meiner Wahrnehmung stelle ich meine Rollenbilder graphisch und skulptural in den Raum. Ich integriere mich in meine Umgebung und gehe in ihr auf.